(PN) 01.12.2017 – Die für heute, Freitag, 1.12., geplante Übergabe des Gazastreifens an die von der Fatah geführten Palästinensischen Autonomiebehörde verzögert sich. In den letzten Tagen waren Streitigkeiten zwischen der Hamas und Fatah aufgekommen. Beide Parteien teilten Ägypten, das als Mediator beteiligt ist, mit, dass man den Termin auf den 10. Dezember verschieben wolle.

Im Oktober hatten die sich seit einem Jahrzehnt in Hass zerstrittenen palästinensischen Faktionen Hamas und Fatah in Kairo getroffen und ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet. Damit sollte die Fehde, die seit der Wahl und Übernahme des Gazastreifens durch die Hamas vor zehn Jahren entstanden war, beigelegt werden. Beobachter rechneten angesichts der erheblichen Unterschiede bei den politischen Positionen mit Schwierigkeiten.
Doch dann übergab die Hamas absprachegemäß am 1. November die Grenzübergänge zu Israel und Ägypten an die Autonomiebehörde unter der Leitung der Fatah. Zwar beschwerte sich diese, die Übergabe sei nur unvollständig erfolgt, da die Polizei im Gazastreifen noch immer der Hamas unterstehe, doch die Hamas-Führung wies das zurück und versicherte, die Grenzübergänge mit allen Verantwortlichkeiten übergeben zu haben.
Heute nun sollte der zweite Schritt der Versöhnung stattfinden – die Übergabe der zivilen Verwaltung des Gazastreifens samt aller Ministerien an die Palästinensische Autonomiebehörde. Doch in den letzten Tagen waren zunehmend Irritationen aufgekommen, die den vereinbarten Zeitplan in Frage stellten.
Alleingang von Fatah sorgt für Unmut
So hatte die Aufforderung des palästinensischen Ministerpräsidenten, Rami Hamdallah, die ehemaligen Bediensteten der Autonomiebehörde sollten an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, am Dienstag bei der Hamas für Unmut gesorgt. Diese waren nach der Machtübernahme durch die Hamas 2007 in den einstweiligen Ruhestand geschickt worden, seither aber von der Palästinensischen Autonomiebehörde weiter bezahlt worden.
Das Versöhnungsabkommen hatte vorgesehen, dass über die schwierige Frage, wie die einstigen und die derzeitigen staatlichen Angestellten zusammengeführt werden könnten, nicht vor Februar entschieden werden sollte. Entsprechend verärgert reagierte die Hamas-Führung über den Alleingang des palästinensischen Ministerpräsidenten, und blockierte gestern die ehemaligen Fatah-Mitarbeiter, die an ihre öffentlichen Arbeitsplätze zurückkehren wollten. Ministerpräsident Hamdallah nannte die Blockade einen „gefährlichen Schritt“, die Hamas konterte, die PA sei „verantwortlich für das entstandene Chaos und die Verwirrung“.
Der UN-Sonderbeauftragte für den Friedensprozess im Nahen Osten, Nikolay Mladenov, ermahnte daraufhin die beiden Faktionen, die Bedeutung des Versöhnungsabkommens nicht aus den Augen zu verlieren. Das Abkommen sei „sehr wichtig“, betonte er. „Es bietet gute Rahmenbedingungen dafür, die Westbank und Gaza wieder unter einer legitimen palästinensischen Autorität zu vereinen.“ Insbesondere sei zu hoffen, dass sich dadurch die humanitäre Situation für die Menschen im Gazastreifen bessere, die bisher weitgehend auf Elektrizität und sauberes Wasser verzichten müssen.
Hamas besteht auf Waffen
Doch der geplanten, reibungslosen Übergabe stand noch ein weiterer Stolperstein im Weg. Am Montag erklärte die Hamas auf einer Pressekonferenz erneut, dass sie nicht gedenke, ihre Waffen abzugeben. „Die Waffen des Widerstands sind eine rote Linie, die nicht verhandelbar ist“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Hamas in Gaza, und bezog sich damit auf das Arsenal des militanten Arms der Hamas, der Al-Qassam Brigade. „Diese Waffen werden in die Westbank gebracht, um die Besatzung zu bekämpfen. Es ist unser Recht, uns gegen die Besatzung zu wehren, bis sie beendet ist.“
Bereits im Oktober, noch vor dem Abschluss des Versöhnungsabkommens, hatte ein Sprecher der Hamas betont, dass die Versöhnung auch die Hamas als bewaffnete Widerstandsgruppe stärken müsse. „Die Waffen dienen dazu, die Palästinenser zu schützen und ihr Land zu befreien – insofern gibt es da nichts zu diskutieren“, sagte der Sprecher in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Ma’an. In der Folge war in dem Versöhnungsabkommen eine Einigung über die Waffen der Hamas und die Zukunft der Al-Qassam Brigade nicht getroffen worden.
Dies kritisierte Anfang November der palästinensische Polizeipräsident, Hazem Atallah. Auf einer Pressekonferenz in Ramallah betonte er, dass die Hamas die Waffen abgeben müsse. „Wir sprechen von einer Führung, einem Gesetz, einer Waffe. Wie kann ich für Sicherheit [in Gaza] sorgen mit all diesen Raketen und Gewehren überall? Geht das? Es geht nicht.“
Doch am vergangenen Montag beharrte die Hamas erneut darauf, ihre Waffen zu behalten. Auch die Verhandlungen in der Woche zuvor hatten keine Ergebnisse erbracht. „Sie haben nicht ein einziges Problem gelöst, nicht mal die einfachsten“, kommentierte Najee Sharab, Professor für Politologie an der Azhar Universität Gaza, enttäuscht den Ausgang der Gespräche.
Auf den letzten Metern zur Übergabe haben sich nun beide Stolpersteine als unüberwindbare Hürden entpuppt. Gestern teilten beide palästinensischen Faktionen dem Mediator Ägypten mit, dass man sich noch über etliche Dinge uneins sei und den Termin der Übergabe auf den 10. Dezember verschiebe. Dass die Hamas bis dahin von ihrer Position bezüglich der Waffen abrückt und der Streit mit der Fatah um die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst beigelegt sein wird, ist allerdings fraglich. Auch dieser Termin könnte möglicherweise nicht zu halten sein.