(PN) 04.12.2017 – In Qusra, südlich von Nablus in der Westbank, ist es in den letzten Tagen zu erheblicher Gewalt von Siedlern und israelischen Sicherheitskräften gegen palästinensische Einwohner gekommen. Dabei wurden mindestens 58 Palästinenser verletzt.

Am Donnerstag hatte ein israelischer Siedler aus der nahe Qusra gelegenen illegalen Siedlung Esh Kodesh bei einer Wanderung einen palästinensischen Bauern erschossen. Einem weiteren Palästinenser war ins Bein geschossen worden. Der 48jähriger Bauer und Familienvater wurde am Samstag unter großer Anteilnahme der örtlichen Bevölkerung und palästinensischen Vertretern in Qusra begraben. Das Exekutivkomitee der PLO verurteilte die Tötung aufs Schärfste und forderte die internationale Gemeinschaft auf, Israel zur Verantwortung zu ziehen.
Die Siedler gaben an, sie seien mit Steinen beworfen worden. Die Palästinenser wiesen das zurück und sagten, der Bauer habe mit seinem sechsjährigen Sohn auf dem Feld gearbeitet. Als er den aggressiv auftretenden Siedlern nicht Platz machen wollte, wurde er von einem der Siedler erschossen.
Die israelische Armee leitete Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung gegen den Siedler und einen Begleiter ein, ließ beide jedoch nach zwei Stunden wieder gehen.
Am Donnerstagnachmittag, nur wenige Stunden nach der Tötung, attackierte nach Angaben der israelischen Armee eine Gruppe israelischer Siedler die Dorfbewohner und versuchte, ins Dorf einzudringen. Der israelischen Menschenrechtsorganisation Yesh Din zur Folge bewarfen sie die Häuser in Qusra mit Steinen und beschädigten Eigentum der Einwohner. Zwei Dorfbewohner wurden durch Steine verletzt. Die Organisation Roter Halbmond erklärte, dass ihr Krankenwagen mit Steinen beworfen wurde, als man zur Behandlung der Verletzten eintraf.
Am nächsten Tag, kam es zu schweren Zwischenfällen zwischen der israelischen Armee und den palästinensischen Bewohnern Qusras, als diese an der Stelle, an der der Bauer getötet worden war, das Freitagsgebet abhielten. Auch am östlichen Eingang des Dorfes kam es zu Auseinandersetzungen. In beiden Fällen setzte die israelische Armee gegen die Dorfbewohner mehrere Stunden lang Blendgranaten, Tränengas und gummiummantelte Stahlkugeln ein, was zu Protesten führte.
Nach Auskunft des Leiters der Notfallabteilung des Roten Halbmondes in Nablus, Ahmad Jibreel, wurden bei dem Einsatz der israelischen Soldaten gegen die Bewohner von Qusra 55 Palästinenser verletzt, die an Schnitt- und Schürfwunden sowie schweren Atemproblemen wegen des eingeatmeten Tränengas litten.
Drei weitere Palästinenser mussten mit Schussverletzungen ins Krankenhaus gebracht werden, nachdem sie von gummiummantelten Stahlkugeln getroffen worden waren.
Der israelische Verteidigungsminister, Avigdor Liberman, lobte am Freitag die Siedler, die den palästinensischen Bauern getötet hatten, öffentlich. Die Palästinenser hätten die Siedler „lynchen“ wollen, und diese hätten lediglich in Notwehr gehandelt. Beweise für diese Behauptung legte er nicht vor, und die Armee bestätigte den Vorwurf nicht.
Dagegen schrieb eine Gruppe von Siedlern der Migdalim Siedlung, zu der Esh Kodesh gehört, auf Facebook, dass es zunehmend zu einer Spaltung der Bevölkerung in den Siedlungen komme. Die Siedler, die am Donnerstag an der Tötung des Bauern beteiligt waren, gehörten zu einer Gruppe „religiös extremistischer“ Siedler, die kürzlich ohne Genehmigung in die Gegend gezogen sein und seither mit Provokationen für Unruhe sorgten.
„Wir verdammen den Versuch, Migdalim von einer friedlichen Gemeinschaft in eine von Kriegstreibern zu verwandeln“, schrieb die Gruppe. Auch die provozierende Art der Wandergruppe, die ohne Genehmigung der Armee losgezogen war, sei zu verurteilen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen, hat sich die Zahl der Gewalttaten von illegalen Siedlern gegenüber der palästinensischen Bevölkerung in der Westbank deutlich erhöht. Allein im ersten Halbjahr 2017 sei es zu 89 Überfällen gekommen, bei denen in 56 Fällen palästinensisches Eigentum zerstört wurde. In 33 Fällen kamen Palästinenser durch die Überfälle zu Tode. Im Durchschnitt wurden damit jeden Monat sechs Palästinenser getötet.