(PN) 11.12.2017 – Bei einem Treffen der europäischen Außenminister hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu eine klare Absage bezüglich seiner Vorstellung erhalten, die EU würde dem Schritt der USA folgen und Jerusalem einseitig als israelische Hauptstadt anerkennen. „Die EU ist sich in dieser Sache absolut einig“, sagte die Außenbeauftragte Mogherini. „Kein EU-Mitgliedstaat wird seine Botschaft nach Jerusalem verlegen.“

Es war das erste Mal nach 22 Jahren, dass eine israelischer Regierungschef in Brüssel bei der EU auftrat. Und es war – zumindest aus Sicht der EU – kein Wunschtreffen. Schon im Vorfeld war durchgesickert, dass sich Netanyahu praktisch selbst eingeladen hatte, indem er dem Außenminister von Litauen ein gemeinsames Frühstück vorschlug. Litauen lud Netanyahu daraufhin im Alleingang zum EU-Außenministertreffen ein, was zu erheblicher Verstimmung hinter den Kulissen geführt haben soll. Nicht nur die EU-Außenminister waren von dieser Überrumpelungsaktion wenig begeistert, die EU-Außenbeauftragte soll regelrecht geschäumt haben.
Dann machte Mogherini aus der Not eine Tugend und drehte den Spieß um. Sie erklärte bei der Pressekonferenz in der vergangenen Woche nicht nur, dass der israelische Ministerpräsident nach Brüssel käme, sondern – mit einer leichten Verzögerung in der Stimme und einem dezenten Lächeln – dass man auch den palästinensischen Präsidenten Abbas für Januar zum EU-Außenministertreffen einladen werde. Ein solcher Schritt hätte üblicherweise israelischen Protest ausgelöst. Nun aber, mit Netanyahu in Brüssel, war dies nicht mehr möglich.
Entsprechend forsch trat Netanyahu mit der EU-Außenbeauftragte nach einer Sitzung hinter verschlossenen Türen vor die Presse und verkündete: „Jerusalem ist Israels Hauptstadt, niemand kann das leugnen“. Im übrigen äußerte er die klare Erwartung, dass, nach den USA, „auch andere und sogar viele Staaten“ dem Beispiel folgen und ihre Botschaften nach Jerusalem verlegen würden.
Die EU-Außenbeauftragten Mogherini gab sich unbeeindruckt. Für die EU habe ein Frieden zwischen Israel und den Palästinensern „höchste Priorität“, sagte sie und ergänzte, „wir haben dazu eine gemeinsame und sehr einige Position.“ Sie gehe davon aus, „dass der Ministerpräsident das bereits festgestellt hat, von den EU-Außenministern selber, dass die EU sich in diesem Punkt vollkommen einig ist, dass die einzige realistische Möglichkeit für eine Lösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina auf zwei Staaten basiert, mit Jerusalem als Hauptstadt sowohl für den Staat Israel als auch den Staat Palästina.“
In der sich anschließenden Fragerunde mit Journalisten wies Mogherini darauf hin, dass sie wisse, dass Netanyahu mehrfach geäußert habe, er erwarte, dass auch andere dem Schritt Präsident Trumps folgen würden, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. „Er kann seine Erwartung an andere behalten“, sagte sie leicht amüsiert, „denn vonseiten der EU Mitgliedsstaaten wird es einen solchen Umzug nicht geben.“
Die Amerikaner warnte sie vor der Illusion, zu meinen, ein amerikanischer Alleingang könnte erfolgreich sein. Es bedürfte regionaler und internationaler Rahmenbedingungen, um Friedensgespräche, die zur Zeit in weiter Ferne lägen, wieder in Gang zu bringen.
Mogherini betonte, dass sie in all den letzten Jahrzehnten niemanden getroffen habe, der ernsthaft glaubte, ohne eine Zwei-Staaten-Lösung könne Israel sicher sein. Im übrigen bräuchten die Palästinenser ein eigenes Land und eine eigene Regierung. „Darum werden wir immer sagen, dass die Zwei-Staaten-Lösung die einzige in Betracht kommende Möglichkeit ist.“
Der deutsche Außenminister, Sigmar Gabriel, war nicht zu den Gesprächen mit Netanyahu nach Brüssel gereist. Statt seiner nahm der deutsche EU-Botschafter, Reinhard Silberberg, am EU-Außenministertreffen teil. Das Auswärtige Amt nannte dafür als Grund „eine Erkrankung im familiären Umfeld“ des Ministers.
Naheliegender scheint es, dass Gabriel nicht bereit war, bei der Überrumpelungsaktion der EU-Außenminister durch Netanyahu mitzuspielen. Politische Beobachter vermuten eine Retourkutsche, nachdem Netanyahu im April dieses Jahres sein Treffen mit Gabriel in Jerusalem abgesagt hatte, weil der deutsche Außenminister auf Gesprächen mit den israelischen Menschenrechtsorganisationen B’Tselem und Breaking the Silence bestand.