(PN) 15.12.2017 – Israelische Soldaten haben heute im Gazastreifen einen palästinensischen Mann erschossen, der bei israelischen Raketenangriffen auf Gaza 2008 beide Beine verloren hat und im Rollstuhl saß. Er stellte keine Gefahr für die Soldaten dar, sondern hatte lediglich die palästinensische Fahne geschwenkt.
Am siebten „Tag des Zorns“, bei dem Tausende von Palästinensern im Gazastreifen, in der Westbank und in Ost-Jerusalem gegen die einseitige Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Trump protestierten, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, kam es erneut zu heftigen Angriffen israelischer Soldaten auf palästinensische Demonstranten. Dabei wurden nach bisherigen Erkenntnissen heute vier Palästinenser getötet, über 350 wurden durch Gummigeschosse, Tränengas und scharfe Munition verletzt.
Im Gazastreifen erschoss heute ein israelischer Soldat den 29jährigen Ibrahim Abu Thuraya, der während des Gazakriegs 2008 durch einen Raketenangriff Israels beide Beine verloren hatte. Thuraya saß seither im Rollstuhl und verdient seinen kargen Lebensunterhalt, indem er vom Rollstuhl aus Autos wusch. Er sorgte damit auch für den Unterhalt seiner beiden kranken Eltern. Heute nahm Thuraya friedlich an Demonstration im Gazastreifen längs des Grenzzaunes teil. Videoaufnahmen, die auf Twitter zu sehen sind, zeigen ihn vor zwei Tagen, wie er auf den Oberschenkelstümpfen am Boden sitzend die palästinensische Fahne schwenkte. Heute schoss ihm ein israelischer Scharfschütze in den Kopf und tötete ihn.
Die Ermordung des schwerbehinderten, beinamputierten Mannes, der eindeutig für niemanden eine Gefahr darstellte, hat für große Unruhe und Empörung gesorgt. Morgen soll Thuraya unter großer Anteilnahme der Bevölkerung von Gaza beigesetzt werden. Ibrahim hatte sich unter Palästinensern einen Namen gemacht, weil er regelmäßig, nur mit den Händen, Strommasten hochkletterte, um die palästinensische Fahne zu schwenken.
Israelische Soldaten erschossen im Laufe des Tages drei weitere Palästinenser. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums erlag der 18jährige Mohammed Amin Aqel al-Adam seinen schweren Schussverletzungen, nachdem ihm israelische Soldaten in der Stadt al-Bireh in Zentralwestbank mehrere Kugeln in den Oberkörper geschossen hatten. Nach Angaben der israelischen Armee soll al-Adam versucht haben, Soldaten mit Messern niederzustechen. Dieser Vorwurf wird routinemäßig erhoben, wenn israelische Soldaten Palästinenser töten, und lässt sich nur schwer verifizieren.

In Anata bei Jerusalem schoss die israelische Armee dem 29jährigen Bassel Mustafa Muhammad Ibraim in die Brust und tötete ihn. In al-Shujaiyya, im Gazastreifen, erschossen israelische Soldaten den 31jährigen Yassir Sokhar.
Seit Ausbruch der Proteste gegen die Entscheidung Trumps hat die israelische Armee bereits 10 Palästinenser getötet und weit über 2.000 zum Teil lebensgefährlich verletzt. Hunderte von Palästinenser wurden in Haft genommen, darunter auch eine große Zahl von Minderjährigen. In der Nacht zum Donnerstag attackierten israelische Soldaten bei einer nächtlichen Razzia ein Haus in al-Zubeidat, nördlich von Jericho, so heftig mit Blendgranaten, dass eine 60jährige palästinensische Bewohnerin einen Herzinfarkt erlitt und starb.
Die israelische Armee geht seit Jahren mit äußerster Brutalität gegen Zivilisten in den besetzten Gebieten vor. Nach Angaben der UN kamen dabei allein in diesem Jahr über 60 Palästinenser ums Leben, 14 davon waren Kinder, das jüngste war 13 Jahre alt.
Anmerkung: In einer ersten Fassung hieß es, der im Gazastreifen getötete Palästinenser habe seine Beine bei einem Raketenangriff durch Israel 2014 verloren. Das entsprach der unmittelbaren Nachrichtenlage nach dem Tod. Inzwischen hat sein Bruder erklärt, dass der 29jährige seine Beine tatsächlich bei einem israelischen Raketenangriff 2008 verlor. Er lebte bereits seit neun Jahren im Rollstuhl.