(PN) 23.12.2017 – Seit der Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Trump, Jerusalem einseitig als Hauptstadt Israels anzuerkennen, haben israelische Soldaten und Polizeikräfte mehr als 3.650 Palästinenser bei Zusammenstößen verletzt und 12 Palästinenser getötet. Mindestens 500 Palästinenser wurden verhaftet, davon waren 170 Kinder und Jugendliche. Amnesty International und die Gefangenenhilfsorganisation Addameer haben Israel aufgefordert, die exzessive Gewalt einzustellen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern.

Die israelische Armee und Polizei geht seit über zwei Wochen mit großer Brutalität gegen demonstrierende Palästinenser in der Westbank, im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem vor. Protestzüge, die unter dem Motto „Tag des Zorns“ überall in den von Israel illegal besetzten Gebieten stattfinden und gegen die amerikanische Entscheidung zu Jerusalem demonstrieren, sind in den vergangenen Wochen von Hundertschaften von israelischen Soldaten, Grenzsoldaten und Polizeieinheiten attackiert und mit Tränengaskanistern, gummiummantelten Stahlkugeln und scharfer Munition beschossen worden. Dabei kamen nach bisherigen Erkenntnissen 12 Palästinenser ums Leben, darunter ein beinamputierter 29jähriger im Gazastreifen und ein 18jähriger Junge, der vor laufenden Kameras der Presse regelrecht exekutiert wurde. Beim gestrigen „Tag des Zorns“ wurden erneut ein 29jähriger und ein 24jähriger Palästinenser von israelischen Soldaten erschossen.
Vor einer knappen Woche gab die Organisation Roter Halbmond bekannt, dass Israel bisher 3.650 Palästinenser durch Schüsse verletzt hat. Darunter waren auch lebensgefährliche Schüsse in den Kopf von zwei 15jährigen Kindern, um deren Leben noch immer in Krankenhäusern gerungen wird. In den vergangenen Tagen sind weitere Palästinenser von israelischen Sicherheitskräften verletzt worden, so dass die Zahl inzwischen auf über 3.900 geschätzt wird.
Allein in der Westbank wurden gestern unzählige Menschen, darunter auch zahlreiche Jugendliche, zum Teil schwer verletzt. In Beit Ummar, südlich von Hebron, schossen israelische Soldaten einem Jugendlichen mit explosiver Munition in den Fuß. Ein Jugendlicher wurde südlich von Bethlehem von scharfer Munition in der Hüfte getroffen und musste ins Krankenhaus gebracht werden. In Salfit, in der nördlichen Westbank, schoss ein israelischer Soldat einem Jugendlichen mit scharfer Munition in die Schulter, einem anderen Jugendlichen wurde mit Granatenbeschuss ein Auge ausgeschossen. In Bethlehem wurde ebenfalls einem Jugendlichen in den Kopf geschossen.
Mindestens sieben Palästinenser wurden von gummiummantelten Stahlkugeln in Qarawat Bani Hassan bei Salfit getroffen und verletzt. Bei Nablus wurden mindestens vier Palästinenser durch solche Geschosse verwundet. Am Huwwara Checkpoint bei Nablus wurden sechs Palästinenser von Gummistahlkugeln getroffen, ein Jugendlicher wurde mit scharfer Munition verletzt. Weitere zehn Verletzte gab es südlich von Nablus in Baita. In Qalqlia wurden zwei Jugendliche von gummiummantelten Stahlkugeln verletzt, Dutzende erlitten schwere Atembeschwerden durch exzessiven Tränengaseinsatz und mussten zum Teil im Krankenhaus behandelt werden.
Allein bis zum 18. Dezember verzeichnete die UN 162 nächtliche Razzien israelischer Soldaten in der Westbank, bei denen 364 Palästinenser, davon 63 Kinder, verhaftet wurden. In der Folge kam es allein in 50 Fällen zu Zusammenstößen mit der palästinensischen Bevölkerung, der mit großer militärischer Gewalt begegnet wurde. Am 12. Dezember beschossen dabei israelische Soldaten ein Wohnhaus bei Jericho so unaufhörlich mit Blendgranaten, dass eine 60jährige Frau im Haus vor Angst einen Herzinfarkt erlitt und starb.
Über 170 Kinder verhaftet
Nach Erkenntnissen der palästinensischen Gefangenenhilfsorganisation Addameer hat Israel in den letzen zwei Wochen rund 500 Palästinenser verhaftet. Darunter sind mindestens 170 Kinder und 10 Frauen. Derzeit befinden sich rund 300 Kinder in israelischer Gefangenschaft, rund 200 davon allein im Militärgefängnis in Ofer. 37 dieser Kinder wurden nach Erkenntnissen von Addameer bei der Verhaftung brutalen Schlägen und Demütigungen ausgesetzt. Die Organisation verweist auf Art. 27(b) der UN-Kinderrechtskonvention, wonach kein Kind willkürlicher Verhaftung ausgesetzt sein darf, und fordert Israel auf, die Gefangenen umgehend freizulassen.
In einem dramatischen Appell hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International angesichts der ungeheuerlichen Zahl an Verletzten und Toten Israel aufgefordert, die „exzessive Gewalt“ unverzüglich einzustellen, um weiteres Blutvergießen und Verlust von Leben zu verhindern. „Auch Israel hat eine Pflicht, friedliche Demonstrationen zu respektieren und, sofern es zu Zusammenstößen kommt, die minimal erforderliche Gewalt anzuwenden“, sagte Philip Luther, Direktor von Amnesty International für den Mittleren Osten und Nordafrika. „Die Tatsache, dass scharfe Munition gegen Demonstranten eingesetzt wurde, ist schockierend. Nach internationalem Recht ist tödliche Gewalt nur dann zulässig, wenn unmittelbare Lebensgefahr besteht, und das war ganz eindeutig in den dokumentierten Fällen nicht gegeben“, ergänzte Luther.
Amnesty beklagt auch die mangelnde Bereitschaft Israels, derartige Verstöße von Soldaten zu untersuchen. „Die israelischen Behörden weigern sich konstant die Tötungen von Palästinensern durch israelische Soldaten zu untersuchen. So lange diese nicht zur Verantwortung gezogen werden, wird das extralegale Töten von Palästinensern weitergehen. Israel muss dringend alle Vorfälle sorgfältig untersuchen und jene zur Rechenschaft ziehen, die hier unverantwortlich gehandelt haben.“
In der Vergangenheit hat Israel alle Appelle dieser Art ignoriert und auf Strafverfolgung von israelischen Soldaten, die ohne rechtfertigende Not palästinensische Zivilisten getötet haben, fast ausnahmslos verzichtet.