(PN) 20.01.2018 – Eine Gruppe von israelischen Soldaten hat in Deir Nidham in der Westbank das Trauerposter des 16jährigen Mus’ab Tamimi geschändet, der vor zweieinhalb Wochen dort ohne rechtfertigenden Grund von einem israelischen Soldaten erschossen wurde.

Der 16jährige Mus’ab Tamimi war der erste von drei gleichaltrigen palästinensischen Jugendlichen, die allein in den ersten elf Tagen dieses Jahres von israelischen Soldaten erschossen wurden. Tamimi wurde am 3. Januar in Deir Nidham bei Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten mit einer Kugel in den Hals tödlich verletzt.
Zwei Tage nachdem Tamimi erschossen wurde, kehrten israelische Soldaten nach Deir Nidham zurück und verhafteten bei einer nächtlichen Razzia vier junge Palästinenser. Dabei schändeten sie auch das Trauerposter, das die Familie in Erinnerung ihres getöteten Sohnes im Dorf aufgehängt hatte.
Auf das Poster, welches das Foto des getöteten Jungen zeigt, schrieben die Soldaten mit schwarzem Filzstift „Hurensohn“, „Schlampe“ und „tot“. Dazu malten sie dem toten Jungen den Davidstern auf die Stirn und einen Stinkefinger unter das Gesicht. Die Ortsangabe strichen sie durch und zeichneten hier wie an zwei weiteren Stellen den Davidstern auf das Plakat.
Neue Details zur Tötung des 16jährigen
Inzwischen sind weitere Details zu den Umständen der Tötung des 16jährigen bekannt geworden. In einem Interview mit der Nachrichtenseite Middle East Eye sowie einem weiteren mit der israelischen Zeitung Haaretz hat der Vater von Mus’ab berichtet, was sich in Deir Nidham ereignet hat. Danach waren Soldaten bereits am Tag vor dem tödlichen Vorfall frühmorgens ins Dorf eingedrungen und hatten Informationsblätter verteilt, wonach die Armeepräsenz verstärkt würde. Gleichzeitig wurde Jugendlichen mit ernsten Konsequenzen gedroht, sollten sie Steine gegen die Besatzungsmacht werfen. Unbeeindruckt davon, warfen Jugendliche später dennoch Steine, und Mus’ab Tamimi wurde festgenommen und zu seinen Eltern gebracht.
Nach Angaben des Vaters habe der Leiter des Kommandos, Kapitän Faris, den Jungen übergeben, Fotos von ihm gemacht und gesagt: „Ihr werdet schon sehen, was wir mit ihm machen.“ Einen Tag später erschossen sie Mus’ab Tamimi. „Glauben Sie das ist ein Zufall, dass mein Sohn am nächsten Tag mit einer einzigen tödlichen Kugel in den Hals erschossen wurde?“, fragte der Vater. „Selbst wenn er Steine geworfen hat, gab es kein Recht ihn zu töten. Man hätte ihn verwunden oder verhaften können, wenn man es gewollt hätte!“
Doch der Versuch wurde nicht einmal unternommen. Auf Fotos des Tages ist der Junge zu sehen, wie er zwischen Steinen am Straßenrand hockt. Ein israelischer Soldat legte gezielt an. Als der 16jährige aufstand, fiel der tödliche Schuss. „Kapitän Faris wollte den Tod meines Sohnes, und seine Soldaten haben es für ihn erledigt“, sagt sein Vater verbittert.
Der Vater fand seinen schwerverletzten Sohn
Die israelische Armee erklärte zu dem Vorfall, man werde die Angelegenheit untersuchen, aber die Soldaten hätten einen „Demonstranten mit einer Waffe“ während „gewalttätiger Proteste“ gesehen. Mus’abs Bruder Osama, der bei ihm war, als er erschossen wurde, weist die Behauptung entschieden zurück. Sein Bruder habe überhaupt keine Waffe oder ähnliches bei sich gehabt. Die Soldaten hätten aus einer Entfernung von rund 10 Meter auf den Bruder geschossen, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, ihn zu verhaften. Auch der Vater protestiert. „Glauben Sie, die erschießen jemanden, der angeblich eine Waffe hat, und lassen ihn dann im Blut liegend mit der Waffe zurück, damit wir sie aufheben können? Würden sie nicht wenigstens versuchen, die Waffe wegzunehmen?“, sagt Mus’abs Vater. „Mein Sohn hatte keine Waffe, stellte überhaupt keine Gefahr dar. Sie kamen, um zu töten.“
Der Vater hatte gegen ein Uhr mittags Schüsse gehört und war mit seinem Auto sofort losgefahren. Er wusste, zwei seiner Söhne, die gerade Ferien hatten, befanden sich unten im Dorf. Als er im Tal ankam, sah er jemanden auf der Straße liegen, Blut floss aus dem Hals und Jugendliche standen schockiert herum. Erst als er aus dem Wagen stieg, sah er, dass es sich bei dem lebensgefährlich Verletzten um seinen Sohn handelte. Gemeinsam mit zwei Jungen schleppte er ihn in sein Auto und raste mit ihm nach Ramallah ins Krankenhaus. Doch Mus’ab war nicht mehr zu retten. Die Kugel des israelischen Soldaten hatte dem Jungen die Halsschlagader zerfetzt. Im Krankenhaus konnte man nur noch seinen Tod feststellen.
Am Tag danach wurde der 16jährige Mus’ab Tamimi unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt. Israelische Soldaten blockierten den Weg zum Friedhof und griffen den Trauerzug an. Als es zu Protesten kam attackierten sie die Trauernden erneut mit Tränengaskanonen und gummiummantelten Stahlkugeln. Mit einer schossen sie dem 20jährigen Mohammed Afif Awad direkt in den Kopf und verletzten ihn schwer.
Einen Tag später überfielen die Soldaten Deir Nidham erneut, verhafteten vier Jugendliche und schändeten das Trauerposter des getöteten 16jährigen mit Davidstern, Stinkefinger und den Worten „Hurensohn“, „Schlampe“, „tot“. Sein Vater hat das Poster abgenommen. Der Schmerz über die Schändung und den sinnlosen Tod seines Sohnes steht ihm im Gesicht.