(PN) 16.03.2018 – In einer Rede anlässlich der außerordentlichen UNRWA-Ministerkonferenz in Rom hat am Donnerstag die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Federica Mogherini, die uneingeschränkte Unterstützung der EU für das UN Hilfswerk bekräftigt. Gleichzeitig gab sie bekannt, dass die EU mit sofortiger Wirkung 82 Millionen Euro an die UNRWA überweise. Damit will die EU erkennbar die Kürzungen ausgleichen, die durch die amerikanische Regierung Anfang des Jahres zu Lasten der UN Hilfsorganisation verkündet wurden. Ohne die Amerikaner beim Namen zu nennen, appellierte Mogherini an jene, die Kürzungen vorgenommen haben, ihre Entscheidung zu überdenken. Damit bezieht die EU in der Palästina-Frage einmal mehr klare Position gegen die Vorgehensweise der USA.

PN veröffentlicht die Rede Mogherinis im Wortlaut:
»Wir sind hier in Rom, um zwei starke Botschaften auszusenden. Erstens, dass die Arbeit der UNRWA wichtig ist und bewahrt werden muss. Zweitens, dass wir diese Arbeit konkret unterstützen. Das ist uns wichtig, denn es ist eine moralische Pflicht, aber liegt auch im Eigeninteresse.
Die Situation im Nahen Osten ist extrem unbeständig und wir können uns eine noch größere Destabilisierung nicht leisten.
Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten kümmert sich um Millionen von Menschen. Die Erhaltung und Unterstützung der UNRWA ist nicht nur eine Frage der Menschlichkeit. Sie liegt auch in unserem strategischen Interesse, im Interesse von Frieden und Sicherheit im Nahen Osten und dient unserer eigenen Sicherheit.
UNRWA ist aus mindestens drei Gründen von entscheidender Bedeutung: für die Zukunft aller palästinensischen Flüchtlinge, für die Durchführbarkeit der Zwei-Staaten-Lösung, für Stabilität und Sicherheit in der Region.
Erstens: Ein plötzlicher Stopp der UNRWA-Dienste in allen Einsatzbereichen, nicht zuletzt in Gaza, wäre unglaublich gefährlich. Mehr als siebenhundert Schulen würden nach der Sommerpause wahrscheinlich nicht mehr öffnen, und Krankenhäuser wären nur vermindert betriebsfähig. Palästinaflüchtlinge würden wahrscheinlich ihre Hoffnung für die Zukunft verlieren. Und wenn Menschen die Hoffnung verlieren, werden sie oft zu einem leichten Ziel für die Propaganda terroristischer Gruppen.
Zweitens: Die UNRWA ist für den palästinensischen Staatsaufbau und für die Perspektive einer Zwei-Staaten-Lösung von wesentlicher Bedeutung.
Ohne Schulen, Krankenhäuser und Berufsausbildung kann es keinen Staat geben. Darüber hinaus ist eine gerechte, vereinbarte und realistische Lösung der Flüchtlingsfrage eines der Schlüsselelemente für Frieden. Und die Zwei-Staaten-Lösung ist immer noch der einzig gangbare Weg zu Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser.
Drittens: Die Arbeit der UNRWA trägt zur regionalen Stabilität bei. UNRWA kümmert sich um palästinensische Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon, in Syrien und anderswo. Wir brauchen wirklich keine neue Flüchtlingskrise oder noch Schlimmeres – Spannungen, Turbulenzen und noch mehr Gewalt in einem ohnehin schwierigen regionalen Kontext.
Die Lehrpläne der UNRWA sehen spezielle Ausbildungskurse vor, um ein Bewusstsein zu wecken für Extremismus, Terrorismus und Aufstachelung. Ohne die UNRWA wären junge palästinensische Flüchtlinge der Radikalisierung viel stärker ausgesetzt. Ich habe selbst in Gaza UNRWA-Schulen besucht. Ich habe die Kinder, ihre Eltern, die Lehrer getroffen. Ich habe gesehen, wie viel Hoffnung von Büchern und Klassenräumen ausgehen kann.
Und als Eltern versteht jeder, dass eine Schule viel mehr ist als „nur“ Bildung, welche ohnehin die Essenz des Lebens ist: Schulen sind das Rückgrat einer Gemeinschaft, einer Gesellschaft. Begreifen wir wirklich die Gefahr, die aus dem Schaffen eines solches Vakuums entstehen würde? Wollen wir das Blau der UN-Flaggen durch andere Farben ersetzt sehen?
Es besteht auch ein hohes Risiko, dass die täglichen Bedingungen für 5 Millionen Palästina-Flüchtlinge so unerträglich werden, dass sie sich entscheiden, die Region zu verlassen. Erinnern Sie sich, was 2015 passiert ist, als die Kürzungen der Mittel für das Welternährungsprogramm so viele dazu brachten, ihre Häuser im Nahen Osten zu verlassen – und viele weitere weltweit.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten tragen zu etwa der Hälfte des UNRWA-Haushalts bei. Die Europäische Kommission hat soeben eine Vereinbarung unterzeichnet, um unseren jährlichen Beitrag von 82 Millionen Euro vorab zu zahlen. Das Geld verlässt heute unsere Konten. Und wir haben uns verpflichtet, in den nächsten zwei Jahren auf ähnlichem Niveau zur UNRWA beizutragen. Die Vorhersehbarkeit der Finanzierung ist entscheidend, auch für eine gute Planung und Verwaltung der Ressourcen.
Die EU leistet also wie immer ihren Beitrag. Wir fordern andere auf, dasselbe zu tun. Heute sollten wir uns an potenzielle neue Unterstützer der UNRWA wenden. Aber auch an die beitragenden Länder, um zu überprüfen, ob jeder einzelne von Ihnen seine Unterstützung nicht erhöhen kann. Und noch wichtiger: Ich appelliere an diejenigen, die die Finanzierung gekürzt haben, ihre Entscheidung zu überdenken.
Es ist auch wichtig, dass die UNRWA effizienter wird im Umgang mit ihren Ressourcen: Ich möchte der Führung der UNRWA deshalb für ihre diesbezügliche Arbeit in den letzten Monaten und Jahren danken.
Die Erhaltung der UNRWA liegt in unserem eigenen Interesse. Ich vertraue darauf, dass die internationale Gemeinschaft nicht aus dem Auge verliert, was unser gemeinsames Interesse ist: nicht nur gutes Essen, sondern auch Bildung für die Palästinenser zu garantieren, zu Verhindern, dass sie weiterer Radikalisierung ausgesetzt sind, und eine neuerliche Eskalation der Spannungen in unserer fragilen Region, in unserer komplizierten Welt zu vermeiden.
Vielen Dank.«
(Übersetzung der im Original auf Englisch gehaltenen Rede)