(PN) 28.03.2018 – Am 27. Dezember 2017 wurde in Bethlehem der palästinensische Aktivist Munther Amirah von israelischen Grenzpolizisten verhaftet. Amirah hatte friedlich, mit einem Poster in der Hand stehend, für die Freiheit der 17jährigen Ahed Tamimi und ihrer Mutter Nariman und für Jerusalem als Hauptstadt Palästinas demonstriert, als sich nach rund einer Viertelstunde plötzlich und ohne erkennbaren Anlass ein israelischer Grenzpolizist auf ihn stürzte und ihn verhaftete.

Während Amirah keinen Widerstand leistete, wurde er von den Grenzpolizisten weggeschleppt. Das israelische Militärgericht Ofer verurteilte Munther Amirah vorletzte Woche zu sechs Monaten Gefängnis plus einer Bewährungszeit von fünf Jahren und warf ihm unter anderem vor, an nicht genehmigten Protesten teilgenommen zu haben. Damit kann Amirah als Leiter des Bürgerwiderstandskomitees keine gewaltfreien Demonstrationen gegen die israelische Besatzung mehr organisieren, oder er läuft Gefahr, eine fünfjährige Gefängnisstrafe zu erhalten.
Noch während Munther Amirah auf seine Verurteilung im Militärgefängnis wartete, veröffentlichte seine Tochter, Ghaida Amirah, Mitte Februar ein bewegendes Bekenntnis zu ihrem Vater. Wir geben den Text aus Anlass seiner Verurteilung hier ungekürzt wieder.
.
Von Ghaida Amirah
Ich wurde zu einer Zeit geboren, als die Menschen glaubten, dass die israelische Besatzung bald vorbei sein würde. Nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens war mein Vater zuversichtlich, dass es bis zu meinem Schuleintritt keine israelische Besatzung mehr geben würde. Lange Jahre sind vergangen. Ich bin jetzt 23 Jahre alt und wurde gerade als Anwältin zugelassen. Aber mein Vater, Munther Amirah, sitzt jetzt in einem israelischen Gefängnis.
Mein Vater arbeitet als Koordinator des Bürgerwiderstandskomitees (PSCC) und ist der ehemalige Generalsekretär der Palästinensischen Gewerkschaft der Sozialarbeiter und Psychologen. Israelische Soldaten verhafteten ihn vor über einem Monat in Bethlehem, weil er gegen die Entscheidung der USA demonstrierte, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen. Seither hält ein israelisches Militärgericht meinen Vater im Gefängnis, obwohl sie keine der haltlosen Vorwürfe gegen ihn beweisen konnten.
Verständlicherweise wird Israel die wahren Gründe für seine Festnahme nicht nennen. Sie wissen, dass mein Vater in allen Anklagepunkten unschuldig ist, aber wollen, dass er und alle Palästinenser die systematische Verweigerung unserer Rechte akzeptieren. Israel geht weiterhin scharf gegen jeden Palästinenser vor, der sich widersetzt und gegen die Besatzung in irgendeiner Form kämpft: sei es durch Anwendung des Völkerrechts, durch Förderung von BDS oder einfach durch Demonstrationen auf der Straße. Im Fall meines Vaters sendet das israelische Militärgericht eine Einschüchterungs-Botschaft an diejenigen, die ihr Apartheid-Regime herausfordern und auf die Straße gehen – sogar gewaltfrei – um für Freiheit und Gerechtigkeit zu demonstrieren.
Der Militärrichter war sicherlich irritiert, als mein Vater erklärte, dass Bethlehem nach dem Völkerrecht nicht zu Israel gehört und er daher nicht ihre Erlaubnis brauchte, gegen Trumps Entscheidung zu demonstrieren. Ich bin mir auch sicher, dass der Richter ebenso verärgert war, als mein Vater sagte, dass Israels Besatzung nur zu mehr Gewalt ermuntert. Nach langen Verhören, die bei meinem Vater mit Schlafentzug einhergingen, waren diejenigen, die seine Inhaftierung angeordnet hatten, sicherlich von seinen hohen Wertvorstellungen frustriert, die er selbst noch zeigte, als er vor Gericht gestellt wurde.
Mein Vater tut, was jeder in einer Situation der Ungerechtigkeit tun sollte: Widerstand dagegen zu leisten. Aber es ist für uns nicht immer leicht, die Risiken hinzunehmen, die er für seine Freiheit und sein Leben eingeht. Eigentlich sollte er zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Krankenhaus sein: Er hatte aufgrund einer schweren Infektion Fieber und leidet obendrein an Bluthochdruck. Obwohl er die Risiken einer Demonstration kannte, glaubte er fest daran, dass es seine Pflicht sei, trotz seiner körperlichen Verfassung teilzunehmen.
Meine Mutter ist sehr stark und sie hat meinen vier Geschwistern und mir geholfen, hoffnungsvoll zu bleiben. Die jüngeren, Youmna, 12, und Mohammad, 8, sind sehr besorgt, wann sie ihn wieder umarmen können. Sie verstehen, dass wir unter einer autoritären Besatzung leben, aber sie begreifen nicht, wie die Teilnahme an einer Demonstration ein Grund für die Festnahme unseres Vaters sein könnte.
Youmna und Mohammad besuchen die Schule im Salesianer-Kloster von Cremisan, das in einem wunderschönen Tal liegt, in dem Israel seine Siedlungen ausbaut und die Annexionsmauer errichtet. Vor einigen Jahren hat ein dort ansässiger Priester beschlossen, dagegen zu demonstrieren, indem er jeden Freitag eine Open-Air-Messe veranstaltet. Und so begleiteten wir meinen Vater, um für Gerechtigkeit und Frieden zu beten. Erfahrungen wie diese haben mich dazu gebracht, meinen Vater noch mehr zu bewundern – uns zu lehren, dass jeder eine Aufgabe in unserem Kampf für die Freiheit hat. Dazu gehörte ein Muslimin wie ich, die sich einem christlichen Gebet anschloss, und das haben wir auch bei den Demonstrationen für die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem im vergangenen Juli gesehen, als Christen sich muslimischen Gebeten anschlossen.
Während die Vereinigten Staaten unser Volk mit Sanktionen bedrohen, und während Europa weiterhin Israel verwöhnt, bleibt der Besatzer zuversichtlich, dass er keinen Preis dafür zahlen wird. Ungeachtet dessen wird die israelische Besatzung nicht in der Lage sein, unsere Würde zu korrumpieren oder unseren Willen zu brechen.
Nach einem Leben unter der israelischen Besatzung wird diese Erfahrung meinen Vater nur stärker machen. Die israelische Besatzung denkt, dass mein Vater, ein gewaltloser Aktivist, eine Bedrohung für ihr Apartheidsystem darstellt, weil er Hoffnung in unserer Gesellschaft verbreitet. Es ist seinen Lehren zu verdanken, dass ich danach strebe, Menschenrechtsanwältin zu werden – und wir werden weiterhin unsere Gemeinschaften organisieren, demonstrieren und kämpfen, bis Palästina frei ist.
Als ich geboren wurde, bereiteten sich alle auf einen unabhängigen Staat vor. Ich weiß nicht, ob die Freiheit bald kommt oder nicht. Aber ich habe von meinem Vater gelernt, dass wir das Recht haben, unsere Rechte zu verfolgen. Betrachten Sie dies als ein Zeugnis einer stolzen Tochter, deren Vater sich in einem israelischen Gefängnis befindet, wegen des „Verbrechens“, zu glauben, dass Palästina frei sein wird.
.
Die Autorin ist eine junge Palästinenserin, die im Aida Flüchtlingscamp in Bethlehem wohnt. Sie hat soeben ihren Abschluss in Rechtswissenschaft an der Al Ahliyya Universität Palästina gemacht. Spezialisieren möchte sie sich auf humanitäres Völkerrecht.
Der Beitrag erschien im Original auf Englisch auf dem israelischen Nachrichtenblog +972. Die deutsche Übersetzung erscheint mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der +972 Redaktion.