(PN) 16.04.2018 – Vor dem Obersten Gerichtshof Israels hat der israelische Verteidigungsminister, Avigdor Liberman, in einem laufenden Verfahren erklärt: „Israel befindet sich mit Gaza im Krieg“. Die Äußerung erfolgte im Rahmen eines Eilverfahrens, in dem das Gericht heute den Minister und die israelische Regierung verpflichtete, einem beinamputierten jungen Palästinenser die Ausreise aus Gaza zur Behandlung in Ramallah zu genehmigen.

Mit der Begründung, Israel befände sich mit Gaza im Krieg, rechtfertigte Liberman die Entscheidung, nur in lebensbedrohlichen Fällen Einwohner aus Gaza zur medizinischen Behandlung nach Ramallah ausreisen zu lassen. Drohende Beinamputationen würde man deshalb nicht berücksichtigen. In der Folge verlor der von israelischen Scharfschützen während der ersten Freitagsdemonstration schwerverletzte 20jährige Yousef Karnaz sein linkes Bein.
Die Erklärung des israelische Verteidigungsministers vor dem Obersten Gerichtshof lässt erstmals erkennen, wie die israelische Regierung die Angriffe der letzten drei Wochen tatsächlich einstuft, bei denen israelische Soldaten und Scharfschützen über 3.000 palästinensische Demonstranten verletzt und 34 von ihnen getötet hatten.
Während die israelische Regierung immer wieder betonte, man schieße nur „gezielt auf gewalttätige Anstifter“ – was angesichts zahlreicher Videoaufnahmen von Erschießungen unbewaffneter Zivilisten zweifelhaft erscheint – ergibt sich nun aus der Erklärung des israelischen Verteidigungsministers gegenüber dem Obersten Gerichtshof ein anderes Bild. Danach befindet sich Israel nach eigenem Bekunden im Krieg mit Gaza und die Angriffe israelischer Soldaten sind insofern als Kriegshandlungen einzustufen.
Eine offizielle Kriegserklärung hat Israel gegenüber der de facto Regierung in Gaza nicht ausgesprochen. Auch stehen der kriegführenden Partei Israel keine gegnerischen Armeen, sondern lediglich unbewaffnete Zivilisten gegenüber. Der Internationale Strafgerichtshof, bei dem derzeit ein Vorermittlungsverfahren gegen Israel wegen möglicher Kriegsverbrechen im Gazakrieg 2014 läuft, wird nun zu beurteilen haben, ob auch die derzeitigen Angriffe auf Zivilisten in Gaza als Kriegsverbrechen einzustufen sind.
Die Äußerung des israelischen Verteidigungsministers gegenüber dem höchsten Gericht, Israel befände sich im Krieg mit Gaza, könnte Anlass zu diesen Untersuchungen geben, da die internationale Rechtsordnung für kriegführende Parteien klar umrissene Regeln benennt, die bei dem massenhaften Beschuss auf unbewaffnete Zivilisten in einem fremden Gebiet kaum eingehalten wurden. Auch wird zu prüfen sein, ob Israel in irgendeiner Weise legitimiert war, gegen eine Enklave, die keinen Angriff gegen Israel vorgenommen hatte, Krieg zu führen.
Auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen müsste sich nach dieser von Liberman erklärten Einstufung als Kriegspartei nun mit der Frage befassen, welcher Anlass Israel dazu berechtigte, gegen den Gazastreifen Krieg zu führen. Allerdings hatten die USA am vorigen Wochenende trotz der 34 von Israel getöteten und mehr als 3.000 verletzten Palästinenser bereits zum zweiten Mal einen Antrag im Sicherheitsrat abgelehnt, eine unabhängige Untersuchung der Angriffe Israels gegen Zivilisten in Gaza zuzulassen.
Israel selbst lehnt jede Untersuchung in der Sache ab.