(PN) 29.05.2018 – „Wird Hassan Mizher aus dem Koma wieder erwachen?“ Diese Frage stellte heute die palästinensische Menschenrechtsorganisation Addameer öffentlich an die israelische Gefängnisverwaltung, nachdem ein 18jähriger Palästinenser mangels medizinischer Behandlung im Militärgefängnis Ofer in ein Koma verfallen ist. Addameer wirft schon seit längerem Israel vor, palästinensische Gefangene systematisch medizinisch zu vernachlässigen.

Hassan Mizher war am 7. April 2018, einen Monat nach seinem achtzehnten Geburtstag, bei Protesten in der Westbank von israelischen Soldaten verhaftet und ins Militärgefängnis Ofer gebracht worden. Der Hauptvorwurf gegen ihn lautete, dass er Steine geworfen habe.
Seit Anfang April, also seit fast zwei Monaten, befand sich der junge Mann im Militärgefängnis, und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich kontinuierlich. Ursächlich dafür ist eine seit Geburt bestehende Stoffwechselstörung, die seine Niere und seine Leber beeinträchtigt und die es dem Körper unmöglich macht, Proteine abzubauen. Deshalb braucht der junge Mann eine strikt vegetarische, eiweißfreie Kost. Darüber hinaus muss er täglich zahlreiche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel, wie Fagyl, Carnitine und Vitamin B12, einnehmen.
Nach Angaben seines Vaters erhielt Hassan Mizher während seiner Inhaftierung im Militärgefängnis Ofer aber weder diese Diät, noch seine Medikation, was zu einer drastischen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führte, so dass er in die Krankenabteilung von Ofer verlegt werden musste.
Nachdem man ihm dort aber lediglich Schmerzmittel verabreichte, begann der 18jährige kontinuierlich, sich zu erbrechen, und fiel ins Koma. Erst dann transferierte man ihn gestern, am 28. Mai 2018, nach Jerusalem ins Shaare Zedek Krankenhaus.
Dort teilten laut Addameer die Ärzte nach der Untersuchung den Eltern mit, dass der Zustand ihres Sohnes ernst sei. Noch immer befindet er sich im Koma.
Mizhers Vater zeigte sich gegenüber der Menschenrechtsorganisation empört. „Die israelische Besatzung trifft die Verantwortung für Hassans derzeitigem medizinischen Zustand. Mein Sohn hätte in ein Krankenhaus verlegt werden müssen, als er begann, sich zu erbrechen. Der Grund für das Koma ist die Tatsache, dass man ihm während der Haft jegliche medizinische Behandlung verweigerte.“
Addameer verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass Artikel 91 und 92 der Vierten Genfer Konvention bestimmen, dass Gefangene in jeder Haftanstalt medizinisch adäquat zu betreuen, von qualifizierten Ärzten überwacht und mit der erforderlichen medizinischen Behandlung zu versorgen sind. Im übrigen bestimme Artikel 76 der Konvention, dass Gefangene das Essen zu bekommen haben, das sie benötigen, um gesund zu bleiben. Alle drei Artikel der Vierten Genfer Konvention wurden im Fall des 18jährigen offensichtlich ignoriert.
Systematische medizinische Vernachlässigung von Gefangenen
Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Addameer vernachlässigt die israelische Gefängnisverwaltung systematisch und vorsätzlich die medizinische Behandlung von inhaftierten Palästinensern. Bereits vor zwei Jahren brachte sie dazu einen Bericht heraus und wies auf das Loyalitätsproblem des ärztlichen Personals in israelischen Gefängnissen hin, das zum einen den inhaftierten Patienten verpflichtet ist, sich aber auch dem israelischen Staat verpflichtet fühlt. So würden Ärzte oft Anzeichen von Misshandlungen oder sogar Folter ignorieren und diese nicht melden, um ihren Job nicht zu gefährden, und medizinisch notwendige Behandlungen unterlassen, um nicht anzuecken. Hinzu käme schlichtes Desinteresse am Zustand palästinensischer Gefangener. Addameer listete mehrere Gefängnisse auf und berichtete über die dortigen Vernachlässigungen und ließ einen 18jährigen Palästinenser zu Wort kommen, dessen geplatzten Blinddarm man im Militärgefängnis Ofer ignoriert hatte.
Nach Angaben von Addameer sind seit Beginn der Besatzung durch Israel rund 75 palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen durch medizinische Vernachlässigung zu Tode gekommen. Die Menschenrechtsorganisation forderte heute erneut von der internationalen Gemeinschaft, auf Israel einzuwirken, internationales humanitäres Völkerrecht einzuhalten. Im übrigen müsse Israel rechtlich für diese Verletzungen der Genfer Konvention zur Verantwortung gezogen werden.