Gastbeitrag von Sari Bashi
27.06.2018

Bei einer Informationsveranstaltung in der israelischen Siedlung Alfei Menashe in der Westbank setzt sich ein Immobilienmakler mit Verkaufssprüchen bei Wohnungssuchenden für eine neue Bebauung mit Penthäusern und 3- und 4-Zimmer-Wohnungen ein: „atemberaubende Aussicht“, „höchste bautechnische Standards, und „nur wenige Minuten“ von großen israelischen Städten entfernt. Zwei potenzielle Hauskäufer, israelische Männer in den 30ern, blättern durch Broschüren mit Bildern von Hochhäusern, die auf offenem Land gebaut wurden, das Teil des benachbarten palästinensischen Dorfes war.
„Die Aussicht ist spektakulär“, sagt der Vertreter des israelischen Bauunternehmers Zemach Hammerman. „Wenn Sie nach Osten schauen, werden Sie Olivenbäume sehen, und Sie wissen, was das bedeutet. Niemand wird Ihre Sicht blockieren.“
Der Anbau von Olivenbäumen kennzeichnet Privateigentum der Palästinenser und die israelischen Behörden zögern, neue Siedlungshäuser an Orten zu genehmigen, an denen es schwierig oder unmöglich ist zu leugnen, dass sich dieses Land im Besitz der Palästinenser befindet. Die Bewohner des palästinensischen Dorfes Azzun haben die israelischen Behörden davon überzeugt, dass ein Teil des Grundstücks neben dem Wohnprojekt ihnen gehört, sodass Siedlungshäuser vorerst nicht darauf gebaut werden. Aber die Zugangsmöglichkeiten zu ihrem Land hat sich seit der Gründung von Alfei Menashe im Jahr 1983 stetig verringert.
Die Bevölkerung in der Siedlung ist auf 8.000 Israelis angewachsen und die Mauer, die errichtet wurde, um sie und andere Siedlungen zu schützen, umgibt jetzt eine benachbarte Stadt mit 50.000 Palästinensern und lässt nur die Hälfte der Ostseite der Stadt für Reisen offen. Den israelischen Wohnungskäufern im Neubaugebiet wird eine ungehinderte Aussicht auf die Berge versprochen, während den benachbarten Palästinensern die erforderlichen Genehmigungen für einen Bau auf ihrem Land verweigert wird und sie in vielen Fällen sogar daran gehindert werden, es zu erreichen.
Während die Straßen für Palästinenser aus der Westbank gesperrt sind, verläuft die Fahrt von Israel nach Alfei Menashe für Israelis reibungslos, ohne Kontrollpunkte. Israels Sperrmauer, die angeblich Israel und die Westbank trennt, ragt 3 Meilen in die Westbank hinein, um Alfei Menashe auf der „israelischen“ Seite einzubeziehen. Was den Eindruck erweckt, dass die Siedlung tatsächlich Teil Israels ist, während in Wahrheit Palästinenser von ihrem Land auf der anderen Seite abgeschnitten werden.
Einer der Bewohner von Azzun, der von der Barriere betroffen ist, ist Mursheid Suleiman, dessen Land an das Bauprojekt grenzt. Die Olivenbäume, auf die sich der Außendienstmitarbeiter bezog, könnten seine sein; Suleiman beschränkt seine Landwirtschaft nun auf pflegeleichte Kulturen wie Oliven, weil der von Israel gebaute Zaun ihn daran hindert, regelmäßig seine Felder zu besuchen. Er sagt, seine Familie habe bereits sieben Dunam (7/10 Hektar) in einem anderen Gebiet verloren, weil das israelische Militär sich geweigert habe, das Eigentum der Familie anzuerkennen, und auf diese Weise ihr Land für israelische Siedlungshäuser bestimmt habe.

Wie in vielen Siedlungen üblich, arbeitet eine israelische Bank, Bank Leumi, mit dem Bauträger zusammen, um das Projekt in Alfei Menashe durch sogenannte „Begleitvereinbarungen“ zu bauen, die in israelischen Bauprojekten zum Schutz der Investitionen von Hauskäufern verwendet werden. Israelische Banken gehen oft solche Vereinbarungen ein, die über eine reine Finanzierung hinausgehen, und bilden enge Partnerschaften mit Bauträgern, um Siedlungen auf unrechtmäßig von Palästinensern beschlagnahmten Flächen zu erweitern. Die Banken erwerben eine Beteiligung am Entwicklungsprojekt, beaufsichtigen den Bau, geben Mittel für Eigenheimkäufer in Übereinstimmung mit dem Baufortschritt frei und treten das Eigentum erst nach Fertigstellung ab.
Das internationale Recht verbietet einer Besatzungsmacht die Nutzung von Land in den besetzten Gebieten, außer zu Sicherheitszwecken oder zugunsten derer, die unter der Besatzung leben. Ein Besatzungsland, das seine eigene Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet verlegt, wie im Falle der israelischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, begeht ein Kriegsverbrechen im Sinne der Vierten Genfer Konvention und gemäß der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Beteiligung von Banken an diesen Transaktionen kann einer Plünderung gleichkommen – darunter versteht man die kriegsrechtsverletzende Beschlagnahme von Privateigentum in Konfliktsituationen.
Human Rights Watch hat um Informationen und Stellungnahmen von Zemach Hammerman und der Bank Leumi zu diesem Projekt gebeten, aber keine Antwort erhalten.
Unabhängig davon, welche politische Lösung für die Westbank in Zukunft gefunden werden könnte, haben Unternehmen gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – einem weithin akzeptierten Standard für die soziale Verantwortung von Unternehmen – die Pflicht, Verletzungen von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht zu vermeiden.
Die israelischen Siedlungen in der Westbank sind nicht nur völkerrechtlich illegal, sondern auch Orte von Menschenrechtsverletzungen, wie die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der Palästinenser, rechtswidrige Beschlagnahme von Eigentum, Gewalt durch Siedler (die von der Armee nicht verhindert wird) und Diskriminierung. Im Gegensatz zu Israelis, können Palästinenser in der Westbank nur als Arbeiter mit Sondergenehmigungen die Siedlungen betreten. Und die israelischen Behörden verweigern ihnen die Lizenzen und Baugenehmigungen, die sie benötigen, um Unternehmen zu betreiben, während die Behörden Infrastrukturen für Projekte innerhalb der Siedlungen subventionieren und bauen.

Die israelischen Behörden tragen die Verantwortung für die Siedlungen, aber israelische Banken erleichtern deren Expansion und finanzieren diese Missbräuche. Diese Banken unterhalten lukrative Beziehungen zu ausländischen Banken und anderen ausländischen Unternehmen, genießen den Ruf, gut organisiert zu sein, und sind auf globalen Finanzplattformen aktiv.
Die Banken sollten globale Standards für die soziale Verantwortung von Unternehmen einhalten, einschließlich der Verantwortung, zu verhindern, einen Beitrag zu schwerwiegenden Verletzungen von Menschenrechten und Kriegsrecht zu leisten.
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Sari Bashi ist Leiterin für Strategie und Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Israel/Palästina bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Zuvor war sie Mitbegründerin der israelischen Menschenrechtsorganisation Gisha, die sie von 2005 bis 2014 leitete. Sie hat an der Yale Universität Jura studiert und ist zugelassene Rechtsanwältin in Israel und New York. An der Universität von Tel Aviv lehrte sie internationales Recht. Sie können Sari Bashi auf Twitter unter @saribashi folgen.
Einen umfassenden Bericht über die Verflechtungen von israelischen Banken und dem Siedlungsbau hat Human Rights Watch unter dem Titel „Bankrolling Abuse“ herausgegeben.