(PN) 03.07.2018 – Israelische Soldaten sind erneut in das Territorium von Gaza eingedrungen und haben drei von vier palästinensischen Jugendlichen verschleppt, auf die sie zuvor geschossen hatten. Dabei kam ein Jugendlicher ums Leben, drei wurden verletzt. Anschließend behauptete die israelische Armee, man habe die Jugendlichen auf israelischem Gebiet verhaftet. Ein Video jedoch belegt, dass diese Version nicht stimmt.

Der Vorfall ereignete sich am frühen Montagmorgen östlich von Rafah, im Süden des Gazastreifens. Die vier palästinensischen Jugendlichen hatten sich dem Grenzzaun genähert, als israelische Scharfschützen von der anderen Seite aus das Feuer eröffneten. Der Sprecher der israelischen Armee bestätigte den Vorfall kurze Zeit später auf Twitter und erklärte, die Jugendlichen hätten den Grenzzaun durchbrochen, seien auf israelisches Gebiet vorgedrungen und hätten versucht, dort einen unbesetzten Militärposten für Scharfschützen in Brand zu setzen. Daraufhin habe die israelische Armee auf die „vier Terroristen“ das Feuer eröffnet. Ein „Terrorist“ sei getötet, ein zweiter verletzt worden. Einen dritten habe man zum Verhör abgeführt. Zu dem vierten Jugendlichen äußerte sich der Armeesprecher nicht.
Am Montagnachmittag meldete die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA, dass dem vierten Jugendlichen, einem 16jährigen, verletzt die Flucht gelungen sei. Der Junge wurde mit einer schweren Schusswunden an der Schulter in das Abu Yousef Najjar Krankenhaus in Rafah gebracht.
Ein Video, das das palästinensische Nachrichtennetzwerk Quds News am späten Abend veröffentlichte, beweist nun, dass die Version, die der Sprecher der israelischen Armee am Morgen über Twitter verbreitet hatte, nicht stimmt. Die Jugendlichen wurden nicht auf israelischem Gebiet beschossen, sondern im Gazastreifen und wurden auch von dort durch den Grenzzaun nach Israel verschleppt.
Leblose Körper wurden rücksichtslos weggetragen
Auf dem Video sind insgesamt 12 israelische Soldaten zu sehen, die auf das Territorium von Gaza eingedrungen waren, um die schwer verletzten Jugendlichen zu entführen. Dabei ist zu sehen, wie ein Jugendlicher zum Grenzzaun geführt, während ein zweiter von einem israelischen Soldaten zum Zaun getragen wird. Der Soldat lässt ihn einmal fallen, und der leblose Jugendliche muss erneut aufgehoben werden. Da er sich nicht regt, dürfte sein Zustand kritisch sein.
Das Video schwenkt dann weiter nach rechts, noch tiefer in das Territorium von Gaza und noch weiter vom Zaun zu Israel entfernt. Dort stehen neun israelische Soldaten über einem weiteren leblosen Körper. Während fünf Soldaten permanent mit angelegten Gewehren Deckung geben, heben die anderen vier den Körper auf, lassen ihn zweimal wieder fallen, schleppen und schleifen ihn dann an Armen und Beinen rücksichtslos über den steinigen Untergrund und machen sich nicht einmal die Mühe, den verletzten Jungendlichen vor weiteren Verletzungen zu schützen. Flankiert von ihren bewaffneten Kollegen verschleppen sie den jungen Mann in Richtung israelisches Gebiet.
In seinen Tweets erwähnte der Sprecher der israelischen Armee all dies nicht. Er erklärte lediglich, dass einer der Jugendlichen – von ihm als „Terrorist“ bezeichnet – tot sei, ein zweiter verletzt.
Ein palästinensischer Rettungssanitäter bestätigte später gegenüber Nachrichtenagenturen in Übereinstimmung mit dem Video, dass die Jugendlichen, entgegen der Behauptung des Armeesprechers, die Grenzanlagen nicht durchbrochen hatten. Sie befanden sich auf Gaza-Gebiet, rund zwanzig Meter von dem Rettungssanitäter und seinen Kollegen entfernt, als die Schüsse der israelischen Scharfschützen sie zu Boden streckten. „Wir wollten den Verletzten medizinische Hilfe geben, aber die Soldaten drohten, auf uns zu schießen, und trieben uns so davon.“
Einige Nachrichtenagenturen meldeten im Laufe des Montags, dass noch ein zweiter der entführten Jugendlichen gestorben sei, die israelische Armee äußerte sich dazu jedoch nicht. Derzeit ist über den Zustand der beiden zunächst lebend verschleppten palästinensischen Jugendlichen nichts bekannt. Die Armee hüllt sich in Schweigen.
Schon vor einer Woche hatten israelische Soldaten einen 15jährigen in der Nähe des Grenzzauns niedergeschossen, waren anschließend in das Gebiet von Gaza eingedrungen und hatten den schwerverletzten Jungen nach Israel verschleppt. Auch über seinen Zustand weiß man weiterhin nichts.
In Gaza leben derweil vier Elternpaare in Angst. Sie wissen nicht, ob es nicht ihr Sohn ist, der tot ist. Und sie wissen nicht, ob, falls ihr Sohn nicht tot ist, er die Verletzungen überlebt. Oder ob und wann sie ihre Kinder jemals wiedersehen werden. Sie wissen nur, dass ihre Kinder in der Hand der israelischen Armee sind. Und dass diese sie getötet, verletzt und entführt hat – und schweigt.
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