(PN) 14.08.2018 – Während westliche Regierungschefs und Vertreter der EU nicht müde werden, die Zwei-Staaten-Lösung als einzig gangbaren Weg zu einem Frieden in Nahost zu erklären, ist die Zustimmung unter jenen, die in Palästina und Israel unmittelbar betroffen sind, dramatisch zurückgegangen. Einer neuen Umfrage zufolge ist bei vielen Israelis und Palästinensern der Glaube an eine Zwei-Staaten-Lösung auf einem Tiefpunkt angelangt. Gleichzeitig hat zwar unter Palästinensern die Unterstützung eines bewaffneten Kampfes gegen die Besatzung abgenommen, immer mehr Iraelis dagegen befürworten inzwischen einen „entschiedenen Krieg“ gegen Palästinenser.

Die Umfrage, die in den Monaten Juni und Juli durchgeführt und am Montag veröffentlicht wurde, war eine Fortsetzung bereits vorher durchgeführter Studien des Palästinensischen Zentrums für Politik und Umfrageforschung, PSR, in Ramallah. Beteiligt waren dabei auch das Tami Steinmetz Zentrum für Friedensforschung, TSC, israelische Meinungsforscher sowie das israelische Internetmagazin +972. Befragt wurden im Umfragezeitraum 2.150 Palästinenser in der Westbank und in Gaza sowie 1.600 Israelis.
Bereits im Dezember, nach der umstrittenen Ankündigung des amerikanischen Präsidenten, Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, war die Zustimmung zur Zwei-Staaten-Lösung erstmals unter 50% gesunken. Die nun vorgelegte Studie zeigt, dass sich der Trend nach unten fortsetzt. Sowohl bei Palästinensern als auch bei jüdischen Israelis sprechen sich nur noch 43% der Befragten für zwei Staaten als Lösung des Konflikts aus. Das ist ein Rekordtief.
Interessanterweise weichen die Ergebnisse bei palästinensischen Bewohnern Israels hiervon deutlich ab. Ungeachtet der Ereignisse des letzten Halbjahres halten von diesen weiterhin 82% an einer Zwei-Staaten-Lösung fest.
Diese Diskrepanz zeigt sich auch bei der Frage, was die nächsten Schritte zur Beseitigung des Konflikts sein sollten. Während 84% der Palästinenser in Israel für ein Friedensabkommen und nicht Gewalt plädieren, stimmen nur 45% der jüdischen Israelis und nur 41% der befragten Palästinenser in den besetzten Gebieten dem zu.
Nach den blutigen Ereignissen im Gazastreifen seit dem 30. März, bei dem Israel 168 Palästinenser, darunter viele Kinder, tötete, verwundert es nicht, dass in Gaza lediglich 29% noch für eine friedliche Lösung stimmen, während es in der Westbank 47% sind. In diesen Zahlen zeigt sich, wie unterschiedlich das Leiden der Palästinenser unter der völkerrechtswidrigen israelischen Besatzung in den beiden besetzten Gebieten ausfällt. Während in Gaza Woche für Woche Todesopfer durch israelische Angriffe zu beklagen sind, kommt es in der Westbank zwar unentwegt zu nächtlichen Razzien mit vielen Verhaftungen, Tote sind dagegen seltener zu beklagen. Wie die Umfrageergebnisse zeigen, führt dies zu einer schleichenden Entfremdung der beiden palästinensischen Bevölkerungsteile in der Westbank und in Gaza.
Weniger Palästinenser wollen Gewalt – mehr Israelis wollen Krieg
Insgesamt zeigen die Ergebnisse bei den palästinensischen Befragten dennoch einen positiven Trend bezüglich einer friedlichen Lösung gegenüber der Entwicklung im letzten Dezember. Nach der Ankündigung des amerikanischen Präsidenten waren nur 26% der befragten Palästinenser für ein Friedensabkommen und gegen Gewalt. Inzwischen hat sich dieser Wert mit 41% wieder dem Umfrageergebnis von Juni 2017 angenähert.
Ganz anders dagegen sieht der Trend bei jüdischen Israelis aus, wenn es um die Frage geht, ob gegen Palästinenser Krieg geführt werden sollte. Die neue Studie verzeichnet hier den höchsten Zustimmungswert aller bisher durchgeführten Umfragen. Waren im Juni 2017 nur 12% der jüdischen Israelis der Meinung, ein „entschiedener Krieg“ gegen die Palästinenser sei erforderlich, unterstützen diese These ein Jahr später nun bereits 20% der Befragten. Damit spricht sich jeder fünfte Israeli inzwischen für Gewalt gegen Palästinenser aus.
Demgegenüber gingen die Zustimmungswerte bei den Palästinensern hinsichtlich eines „bewaffneten Kampfes gegen die israelische Besatzung“ zurück. Sprachen sich vor einem halben Jahr noch 38% der befragten Palästinenser dafür aus, befürworten dies mittlerweile nur noch 27%. Das ist ein signifikanter Rückgang von 11%.
Während bei den Palästinensern demnach die Zustimmung zur gewaltsamen Lösung abnimmt, nimmt sie bei Israelis deutlich zu. Eine beunruhigende Entwicklung angesichts der ohnehin schon erschreckenden, vor allem tödlichen Gewalt, die die israelische Regierung und die Armee öffentlich als legitim propagieren. In der Bevölkerung fällt die Hetze zur Gewalt offensichtlich auf fruchtbaren Boden, womit eine friedliche Lösung des Konflikts zunehmend unwahrscheinlicher wird.
Die jetzt veröffentlichte neue Umfrage zeigt darüber hinaus, wie wenig sich die beiden Konfliktparteien vertrauen. Beide Seiten gehen davon aus, dass die andere Partei nicht vertrauenswürdig ist und jeder Vorteil des Einen der Nachteil des Anderen ist. 47% der jüdischen Israelis und sogar 71% der Palästinenser sind davon überzeugt, dass es sich um ein Nullsummenspiel handelt. Und während rund 25% der Israelis den Palästinensern vertrauen, vertrauen lediglich 11% der Palästinenser ihren israelischen Gegenspielern, unter deren Besatzung sie tagtäglich zu leiden haben.
In nur einem Punkt scheinen sich Israelis und Palästinenser relativ einig zu sein: in der Ursache für den Vertrauensverlust bezüglich einer Zwei-Staaten-Lösung. 47% der jüdischen Israelis und 56% der Palästinenser sind davon überzeugt, dass die fortdauernde Ausweitung illegaler israelischer Siedlungen eine Zwei-Staaten-Lösung inzwischen unmöglich macht. Angesichts der ungebremsten israelischen Bautätigkeit und den sich daraus ergebenden ständig zunehmenden Konflikten, kommt das Rekordtief, das die neue Umfrage nun dokumentiert, insofern nicht von ungefähr.
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